Bisher warten Menschen mit psychischen Erkrankungen häufig ein halbes Jahr auf eine Psychotherapeutische Behandlung. Künftig versprechen Konzepte wie die psychotherapeutische Sprechstunde und breitgefächerte Versorgungszentren schnelle Hilfe im Notfall.
Frau M. aus Cuxhaven fühlt sich seit einiger Zeit sehr schlecht. Sie rauft sich die Haare, bis kahle Stellen am Kopf zurückbleiben. Gleichzeitig sorgt sie sich wegen der Sprachstörungen ihrer dreijährigen Tochter. „Dabei liegen hier bereits Symptome einer akuten Belastungssituation vor“, urteilt Professor Dr. med. Harald Gündel, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Ulm und Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM). Doch die psychotherapeutischen Praxen, an die sie sich die besorgte Mutter wendet, haben erst in sechs Monaten einen Termin für sie frei.
Im Notfall ist schnelle Hilfe gefragt
Bei Fällen wie Frau M. hält Prof. Dr. med Gündel eine niederschwellige, kurzfristige psychotherapeutische Behandlung für unerlässlich. Ein frühzeitiges Eingreifen verhindere die Entstehung vieler psychischer Erkrankungen und greife einer Chronifizierung vor, so der Experte. Bereits nach einer ambulanten Kurzzeittherapie fühlt sich die Mehrzahl der Betroffenen besser. „Das erspart den Patienten einen langen Leidensweg und nicht zuletzt auch Ressourcen im Gesundheitssystem“, erklärt Prof. Dr. med. Gündel.
Fächerübergreifende Versorgungszentren als Erfolgskonzept
Frau M. hat Glück. In ihrer Heimatstadt findet sie das „Medizinische Versorgungszentrum für körperliche und psychische Gesundheit Timmermann & Partner“. Nach kurzer Zeit erscheint sie dort zu einem Termin in der Psychotherapeutischen Sprechstunde. Hier entscheidet ein Arzt, welche Therapieform sich am besten für Frau M. eignet. Die meisten Behandlungen bietet das Versorgungzentrum selbst an, sogar eine Sprachtherapie für die dreijährige Tochter ist innerhalb der Einrichtung möglich. Prof. med. Gründel betont: „Gerade an solchen Beispielen aus der Praxis sehen wir: Schnelle und unbürokratische Hilfe, wie sie eine niedrigschwellige psychotherapeutische Sprechstunde und auch breit aufgestellte Versorgungszentren anbieten können, sind für den Patienten entscheidend.“
Gesetzgeber führt die Therapeutische Sprechstunde ein
Auch andere Betroffene haben Grund zur Hoffnung. Laut Gesetzgeber sollen bald alle Personen mit psychischen Erkrankungen Zugang zur psychotherapeutischen Sprechstunde erhalten. Dort treffen sie, genau wie Frau M. auf einen Psychotherapeuten, der über die weiteren Behandlungsschritte entscheidet. Die Experten der DGPM halten es jedoch für notwendig, für das Programm noch mehr Behandlungsplätze zur Verfügung zu stellen.