15 Prozent aller Paare in Deutschland sind ungewollt kinderlos. Als eine mögliche Ursache für die Unfruchtbarkeit stehen hormonell wirksame Chemikalien unter Verdacht. Anhaltspunkte dafür liefert die Studie einer deutsch-dänischen Forschergemeinschaft.

Chemikal ien in allen Lebensbereichen

Viele Alltagsgegenstände enthalten Chemikalien, die unser Hormonsystem negativ beeinflussen. Diese endocrine disrupting chemicals finden sich in Lebensmitteln, Textilien, Plastikflaschen, Kosmetika und Spielzeug. Zum Beweis der schädlichen Wirkung dieser Stoffe fehlten bisher geeignete Testsysteme. Jetzt haben dänische und deutsche Wissenschaftler ein neues Verfahren entwickelt. „Zum ersten Mal konnten wir nachweisen, dass eine Vielzahl weit verbreiteter Substanzen eine direkte Wirkung auf menschliche Spermien hat“, erklärt Prof. Niels E. Skakkebaek, Leiter des dänischen Forscherteams.

Orientierungslose Spermien

Von rund 100 getesteten Chemikalien stört circa ein Drittel den Kalzium-Haushalt der Spermien. Dazu gehören Inhaltsstoffe von Sonnenschutzmitteln wie 4-Methylbenzylidencampher (4-MBC), der Kunststoff-Weichmacher Di-n-butylphthalat (DnBP) und das antibakterielle Triclosan aus Zahnpasten und Kosmetika. Die Chemikalien erhöhen die Kalziumkonzentration in den Spermien. Das verändert deren Schwimmverhalten und setzt vorzeitig Enzyme frei, die dem Spermium beim Durchdringen der Eihülle helfen. Die Folge: Den Spermien mangelt es an diesen Enzymen, wenn sie tatsächlich versuchen, in eine Eizelle zu gelangen. Sie gelangen nicht hinein. Außerdem imitieren die Chemikalien die Wirkung der weiblichen Geschlechtshormone Progesteron und Prostaglandin. Dadurch reagieren die Spermien mit der Zeit schwächer auf die echten Geschlechtshormone. Das kann den Befruchtungsvorgang durcheinander bringen. Die Spermien haben Probleme, den Weg zur Eizelle zu finden.

Hormoncocktails besonders tückisch

Außerdem untersuchten die Forscher die Wirkung so genannter endocrine disruptor-Cocktails. Sie enthalten verschiedene Chemikalien in geringen, allein für sich kaum wirksamen Mengen. In Kombination miteinander, lösten die Stoffe starke Kalzium-Antworten in den Spermien aus. Harmlose Chemikalien wirken sich also in bestimmten Kombinationen negativ auf das Verhalten von Spermien und damit die Fruchtbarkeit aus.

Neue Grenzwerte in Arbeit

Die Ergebnisse der deutschen und dänischen Forscher geben Anlass, den derzeitigen Einsatz von Alltagschemikalien zu überdenken. Aktuell prüft die EU-Kommission bestehende Grenzwerte. „Unsere Arbeit liefert nun wissenschaftliche Belege, die helfen, neue Richtlinien zu erarbeiten“, freut sich Studienleiter Dr. Timo Strünker vom Forschungszentrum caesar in Bonn.