In Deutschland sind 1,5 Millionen Erwachsene von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen betroffen. Viele von ihnen leiden unter chronischen Schmerzen. Welche Potentiale Cannabis als Schmerzmittel hat, analysierte die Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.
Lange schon gibt es Anzeichen für die medizinische Wirksamkeit von Cannabis: Die Hanfpflanze (Cannabis sativa) soll Schmerzen lindern und Entzündungen hemmen. Dass Cannabisprodukte bei einigen Erkrankungen einen positiven Effekt haben, bestätigten in den vergangenen Jahren zahlreiche klinische Studien. „Bei Tumorpatienten können Cannabinoide während der Chemotherapie den Appetit anregen und zugleich Übelkeit und Erbrechen eindämmen. Sie können auch helfen, schmerzhafte Muskelverspannungen bei Patienten mit Multipler Sklerose zu unterdrücken“, erläutert Privatdozent Dr. med. Winfried Häuser von der Klinik Innere Medizin I des Klinikums Saarbrücken. Einige Patienten mit chronischen Schmerzen berichteten zudem über gute Erfahrungen mit hanfbasierten Substanzen, ergänzt der Experte.
Cannabis bei Rheuma: keine generelle Empfehlung
Um herauszubekommen, ob Cannabisprodukte bei rheumatischen Erkrankungen wirken, verträglich und sicher sind, hat Dr. Häuser zusammen mit Forschern aus Deutschland, Kanada und Israel eine systematische Literatursuche durchgeführt. Dabei stellten die Forscher fest, dass die Datenlage zur Cannabis-Therapie von Rheumaerkrankungen spärlich ist. Dr. Häuser fasst zusammen: „Wir können aufgrund der schwachen Datenlage derzeit nicht empfehlen, Rheumapatienten mit Cannabisprodukten zu behandeln. Das schließt jedoch nicht aus, dass Ärzte Patienten, die wir als austherapiert bezeichnen – das heißt, bei denen sonst nichts hilft – mit Cannabinoiden behandeln.“
Nur ein Cannabis-Medikament zugelassen
Aufgrund seiner Rauschwirkung fällt Hanf in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz (BTM). Der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) wird als ein nicht verkehrsfähiger Stoff klassifiziert. Verkauf und Handel mit Cannabis sind deshalb verboten, der Cannabis-Konsum ist es nicht. In Deutschland ist nur ein einziges künstlich hergestelltes Cannabis-Medikament zugelassen: das Mundspray Sativex bei schmerzhaften Muskelverspannungen im Rahmen einer Multiplen Sklerose. Zwei weitere Cannabis-Präparate mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon haben in Deutschland keine Zulassung. Der Arzt kann sie jedoch im Rahmen eines individuellen Heilversuchs auf einem Betäubungsmittelrezept verschreiben, die Kosten für diese Medikamente trägt der Patient. Bei einem durchschnittlichen Tagesbedarf von 10 bis 15 mg belaufen sich die Ausgaben auf etwa 250 bis 400 Euro im Monat.
Cannabisblüten aus der Apotheke
Patienten haben noch eine weitere Möglichkeit: Sie können bei der Bundesopiumstelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabisblüten aus der Apotheke beantragen (gemäß § 3 Abs. 2 Betäubungsmittelgesetz). Dem Antrag muss eine ärztliche Stellungnahme beigefügt werden. Zudem ist der Patient dazu verpflichtet darzulegen, dass andere Therapien nicht wirksam waren. Bei einem Tagesbedarf von 0,5 bis 1 g Cannabisblüten ergeben sich monatliche Kosten von etwa 300 bis 600 Euro.
Medizinischen Cannabis-Gebrauch gesetzlich regeln
Die Experten der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. plädieren dafür, dass die Bundesregierung ein Gesetz zum medizinischen Gebrauch von Cannabisprodukten erlässt und Verordnungen über die Krankenkassen abgerechnet werden können. Professor Dr. med. Michael Schäfer, Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V., erläutert die Position: „Wir wollen Schmerzpatienten nicht die Therapie mit Cannabinoiden vorenthalten. Aber gebraucht werden mehr Studien und mehr Medikamentenzulassungen.“ Jede Form einer Eigentherapie lehnt der Experte ab: „Patienten, die sich mit dem sogenannten Medizinalhanf oder Cannabis aus Eigenanbau selbst behandeln, fügen ihrem Körper ein in seiner Dosis permanent schwankendes Medikament zu und riskieren belastende Nebenwirkungen.“
Weitere Informationen zu Cannabis in der Medizin finden Interessierte auf der Webseite des „Alternativen Drogen- und Suchtberichts“.