Der „Faktencheck Gesundheit“ der Bertelsmann Stiftung legt große regionale Unterschiede in der Versorgung von Depressions-Patienten offen. Demnach erhalten in Deutschland drei von vier Patienten, die an einer schweren Depression erkrankt sind, keine angemessene Therapie.
Medikamente alleine heilen die Psyche nicht
Depressionen gehören zu den häufigsten und folgenreichsten Erkrankungen. Jeder fünfte Mensch erkrankt im Laufe seines Lebens an einer Depression. Derzeit leiden rund neun Millionen Deutsche an einer behandlungsbedürftigen Depression, mindestens 15 Prozent von ihnen sind schwer krank.
Die Bertelsmann Stiftung wertete für den „Faktencheck Gesundheit“ die anonymisierten Daten von rund sechs Millionen Versicherten der Betriebs- und Innungskrankenkassen aus. Das Ergebnis: Bundesweit erhalten mehr als die Hälfte der schwer Depressiven nur eine unzureichend Therapie, 18 Prozent bleiben ohne Behandlung. Die angemessene Behandlung von schweren Depressionen besteht aus einer Kombination von Psychotherapie und der Einnahme von Antidepressiva. Doch viele Schwerkranke bekommen ausschließlich Medikamente. Der Großteil der Patienten erhält eine zu kurze Therapie.
Gefahr von Suizid
Prof. Martin Härter, Autor der Studie und Direktor von Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie/Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf, erläutert: „Die Ergebnisse sind alarmierend. Werden Depressionen nicht angemessen behandelt, können sie chronisch werden. Noch gravierender ist die Gefahr von Suizid bei schweren Depressionen.“ Durchschnittlich nimmt sich jeder siebte schwer Depressive das Leben.
Regionale Unterschiede
Wie hoch die Chance eines Patienten auf eine angemessene Therapie ist, hängt nicht zuletzt vom Wohnort ab. So werden nur 13 Prozent der Menschen in Zwickau (Sachsen) angemessen versorgt. Mit 40 Prozent kommt Münster (NRW) auf eine dreimal höhere Rate. Im Bundesländervergleich erreichen Nordrhein-Westfalen (30 Prozent) und Hessen (29 Prozent) die besten Versorgungsquoten. Schlusslichter sind Sachsen-Anhalt (22 Prozent), Thüringen (20 Prozent) und das Saarland (20 Prozent).
Therapieplätze bedarfsgerechter verteilen
Die Gründe für die Unterschiede in der Versorgung von schweren Depressionen sind vielschichtig. Eine Ursache ist das regional unterschiedliche Angebot an Psychotherapeuten sowie psychiatrischen und psychosomatischen Fachärzten. Wartezeiten von durchschnittlich 17 Wochen auf einen Therapieplatz unterstreichen die Versorgungsproblematik. Dr. Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, betont: „Insbesondere schwer Erkrankte benötigen schnelle und angemessene Hilfe. Dafür müssen die Therapieplätze bedarfsgerechter verteilt werden. Auch neue Versorgungsmodelle können dazu beitragen, die Situation der Patienten zu verbessern.“