Fast 40 Prozent aller Selbstmorde werden von über 60-jährigen Menschen begangen. Ursache für den Suizid sind in den meisten Fällen Depressionen. Altersdepressionen sind für Angehörige oft schwer zu erkennen und bleiben deshalb oft unbehandelt. Die Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie (DGGPP) rät dazu, bei körperlichen Beschwerden im Alter auch eine Depression als Ursache in Betracht zu ziehen.
Im Alter kommt vieles zusammen
Mediziner sprechen von einer Altersdepression, wenn eine Depression bei einem Menschen mit einem Alter über 65 Jahren auftritt. Während in der gesamten Bevölkerung durchschnittlich 5 Prozent der Menschen an einer Depression erkrankt sind, leiden etwa 20 Prozent der über 65-Jährigen an einer Altersdepression. Die Ursachen sind vielfältig. Viele ältere Menschen erleben beispielsweise den Rollenwechsel vom Beruf zum Rentendasein als negatives Ereignis. Häufig kommen in dieser Zeit der Verlust des Partners oder enger Freunde hinzu, soziale Kontakte nehmen ab und die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit verschlechtert sich.
Die vordergründigen Anzeichen sind meist körperlich
Zu den psychischen Beschwerden von Depressionen im Alter zählen unter anderem Antriebslosigkeit, emotionale Abgestumpftheit, Gleichgültigkeit, Selbstzweifel, das Nachdenken über den Tod sowie ein Rückzug aus dem sozialen Umfeld. „Bei etwa 80 Prozent der Betroffenen sind die vordergründigen Anzeichen einer Depression eher körperlicher Natur und erst später werden die psychischen Veränderungen deutlicher. Bezeichnend ist, dass die Betroffenen häufig über ihren allgemeinen Gesundheitszustand und weniger über ihren Gemütszustand klagen“, erläutert Priv.-Doz. Dr. Martin Haupt, Vizepräsident der DGGPP.
„Zu den möglichen körperlichen Anzeichen einer Altersdepression gehören unter anderem Kopfschmerzen, Rücken- und Gliederschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Herzrhythmusstörungen, Atemprobleme sowie Schwindelgefühle und insbesondere Schlafstörungen. Diese körperlichen Beschwerden werden leider oft dem Alterungsprozess zugerechnet, weswegen eine notwendige psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung gar nicht oder erst spät erfolgt. Betroffene, Angehörige sowie Ärzte sollten bei entsprechenden Symptomen auch eine depressive Erkrankung in Betracht ziehen“, rät der Experte.
Erkrankte sind auf Hilfe von außen angewiesen
Die Symptome einer Altersdepression sind oft schwer zu erkennen, da sie von anderen altersbedingten Erkrankungen wie einer Demenz überlagert sein können. Auch halten es Familienmitglieder oft für normal, dass ältere Menschen eine depressive Grundhaltung haben. Das sei ein Irrtum, meinen die Experten. „Eine Altersdepression muss ernst genommen und darf nicht als «altersbedingt» abgetan werden“, betont Dr. Haupt. Eine Depression, ganz gleich wie alt der Patient ist, erfordert immer eine Behandlung.
„Depressive Menschen sind von sich aus häufig nicht in der Lage, über ihre Probleme zu sprechen und sich selbst in Behandlung zu begeben. Daher ist eine Unterstützung von außen wichtig. Es kann dann sinnvoll sein, selbst einen Termin für den Betroffenen zu vereinbaren und zunächst gemeinsam mit ihm zum Arzt zu gehen“, rät der Gerontopsychiater.
Grundsätzliches Ziel der Therapie ist der Wiedergewinn an Lebensqualität. „Die Behandlung von Depressionen im Alter beruht auf verschiedenen Ansätzen, wie der medikamentösen Therapie, der Psychotherapie sowie soziotherapeutischen Maßnahmen. In den meisten Fällen verspricht eine Kombination dieser Behandlungsmaßnahmen den größten Erfolg“, erläutert Priv.-Doz. Dr. Haupt. Der Experte empfiehlt: „Angehörige können die Krankheitsbewältigung unterstützen, indem sie versuchen, positive Gefühle beim Erkrankten zu verstärken. Man kann sie zu Aktivitäten ermutigen, ohne sie dabei unter Druck zu setzen.“