Fast 30 Prozent der Antibiotika-Verordnungen im vergangenen Jahr waren mit Blick auf die Diagnose fragwürdig – das zeigt die Analyse der DAK-Arzneimitteldaten. Der sorglose Umgang mit Antibiotika hat Folgen: Immer mehr Bakterien entwickeln Resistenzen und bedrohen zunehmend di e Gesundheit von Patienten im Krankenhaus. Experten fordern deshalb, die Verordnungspraxis von Antibiotika zu überdenken.
Gefahr durch Gewöhnung
Wenn Antibiotika zu häufig zum Einsatz kommen, drohen Gewöhnungseffekte. Die Krankheitserreger bilden Resistenzen und das Antibiotikum wirkt nicht mehr. Dann können Infektionen zu einer tödlichen Gefahr werden. Die dramatischen Folgen des häufigen Antibiotikaeinsatzes sind in den Krankenhäusern sichtbar. Hier bedrohen resistente Bakterien die Gesundheit der Patienten. Bundesweit sterben jährlich 7.500 bis 15.000 Patienten an Infektionen mit antibiotikaresistenten Bakterien, die im Zuge einer Krankenhausbehandlung entstehen.
Die DAK-Gesundheit legte nun erstmals einen Antibiotika-Report vor, der die Hauptgründe für den häufigen Einsatz von Antibiotika analysiert. Für den Report hat die DAK-Gesundheit anonymisierte Arzneimittel- und Diagnosedaten ausgewertet. Außerdem wurden 3.100 Menschen in Deutschland zu drei Aspekten befragt: ihrem Umgang mit Antibiotika, ihrer Einstellung zu den Medikamenten und ihrem Wissen über Wirkung und Risiken.
Fazit: Vier von zehn DAK-Versicherten haben 2013 Antibiotika eingenommen. 30 Prozent der Verordnungen waren mit Blick auf die Diagnose fragwürdig. Vor allem bei Infektionen der oberen Atemwege, Bronchitis oder Husten wurden entgegen der Behandlungsleitlinien häufig Antibiotika verschrieben.
Viele Patienten falsch informiert
Das häufige Verordnen von Antibiotika liegt unter anderem an einer falschen Erwartungshaltung vieler Patienten, vermuten die Experten: 40 Prozent der Befragten waren der Meinung, Antibiotika würden auch bei Virusinfekten, wie einer Erkältung, wirken. Dabei dienen die Medikamente nur der Behandlung bakterieller Infektionen. „Erkältungen werden in 80 bis 90 Prozent aller Fälle von Viren verursacht, ohne dass es eine zusätzliche bakterielle Besiedlung gibt“, sagt der Arzneimittelexperte Professor Gerd Glaeske. „Antibiotika schaden in solchen Fällen mehr als sie nutzen. Sie können Nebenwirkungen verursachen und verschärfen das Risiko der Resistenzbildung.“
Dennoch erwarten drei Viertel der Befragten eine Antibiotika-Verordnung, wenn Erkältungsbeschwerden nicht von selbst besser werden. „Die problematische Erwartungshaltung der Patienten bildet sich offenbar auch im Verordnungsverhalten der Ärzte ab“, meint Professor Herbert Rebscher, Chef der DAK-Gesundheit. „Deshalb starten wir eine Informationskampagne, um Ärzte wie Patienten für einen kritischeren Umgang mit Antibiotika zu sensibilisieren. Denn nur wenn ein Umdenken stattfindet, können wir auch in Zukunft auf die lebensrettenden Medikamente setzen.“
Antibiotika nie eigenmächtig absetzen
Auch in puncto Therapietreue und Behandlungserfolg ist Aufklärung nötig. Die DAK-Studie zeigt, dass jeweils elf Prozent der Befragten eigenständig mit der Antibiotika-Einnahme aufhören oder die Dosis reduzieren, wenn es ihnen besser geht – und damit ihre Gesundheit gefährden. Denn beim vorzeitigen Absetzen des Arzneimittels werden nicht alle Erreger abgetötet. Die verbliebenen Bakterien können dann Resistenzen ausbilden oder einen Rückfall auslösen. Deshalb gilt: Antibiotika niemals eigenständig absetzen oder in ihrer Dosis reduzieren. Glaeske rät: „Persönliche Beratung durch Ärzte und Apotheker hilft, Fehler bei der Einnahme zu vermeiden.“