Ein Leipziger Pilotprojekt zeigt: Die Mehrheit der älteren Langzeitarbeitslosen leidet an psychischen Erkrankungen, die bisher nicht erkannt oder nicht optimal behandelt wurden. Diese begünstigen nicht nur einen Jobverlust, sondern hemmen oft auch die Vermittlung einer neuen Be schäftigung, meint die Stiftung Deutsche Depressionshilfe.
Psychische Erkrankungen sind ein Vermittlungshemmnis
2011 startete in Leipziger Jobcentern das Modellprojekt „Psychosoziales Coaching“ unter wissenschaftlicher Begleitung der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Das Projekt untersucht psychische Erkrankungen als Vermittlungshemmnis bei Langzeitarbeitlosen. Ziel des Interventionsprogramms ist es, nicht oder nicht optimal behandelte psychische Erkrankungen bei älteren Langzeitarbeitslosen zu erkennen und den betroffenen Personen ärztliche Hilfe zu vermitteln. Im Rahmen des Programms werden Vermittlungsfachkräfte in den Jobcentern von Mitarbeitern des Psychosozialen Coachings darauf geschult, Hinweise auf psychische Erkrankungen zu erkennen. Betroffenen wird dann eine freiwillige Teilnahme am Psychosozialen Coaching angeboten.
Psyche und Arbeitssituation – ein Wechselspiel
Viele glauben, dass Langzeitarbeitslose durch die Arbeitslosigkeit psychisch erkranken. Häufig besteht eher ein umgekehrter Zusammenhang: Depressionen und andere psychische Erkrankungen führen zu Arbeitslosigkeit und erschweren den Weg zurück in die Arbeit. Hier setzen wir mit dem Psychosozialen Coaching an: Wir sorgen dafür, dass die psychischen Erkrankungen gut behandelt werden und steigern damit die Chancen für den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben“, erläutert Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Projektleiter und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.
Projekt mit Erfolg: Jeder Vierte hat wieder Arbeit
Von 852 Projektteilnehmern wiesen 560 (66 Prozent) mindestens eine psychische Erkrankung auf. Von diesen psychisch erkrankten Menschen wurden lediglich 35 (6 Prozent) bereits optimal, das heißt leitlinienkonform, behandelt. In der Einzelberatung bekamen die Betroffenen mit unzureichender oder gar keiner Behandlung Therapieempfehlungen und wurden bei der Suche nach einem Behandlungsplatz begleitet.
Das Ergebnis: 24 Prozent der Teilnehmenden am Psychosozialen Coaching haben inzwischen wieder eine sozialversicherungspflichtige Arbeit aufgenommen, was einer hohen Reintegrationsrate in den Arbeitsmarkt entspricht. „Das Psychosoziale Coaching ist damit ein wirkungsvoller Baustein, der Barrieren für die Vermittlung in den Arbeitsmarkt abbaut“, meint Prof. Hegerl.
Ausweitung auf andere Städte geplant
Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe möchte das Konzept nun auf andere Regionen Deutschlands übertragen. „Deshalb hat die Stiftung Deutsche Depressionshilfe nun eine Koordinationsstelle eingerichtet, welche das Konzept auf andere Regionen ausweiten und somit ein Netzwerk Psychosoziales Coaching aufbauen will. Ein weiteres Ziel ist es, das Angebot an andere Altersgruppen anzupassen“, Prof. Hegerl hinzu. Unterstützt wird die Stiftung Deutsche Depressionshilfe hierbei durch die Deutsche Bahn Stiftung, mit der seit 2014 eine Kooperation besteht.