Personen mit Spritzen-Phobie dürfen aufatmen: Impfstoffe gibt es in Zukunft auch zum Inhalieren. Die Nadel-freie Impfung ist nicht nur anwenderfreundlich – sie bietet auch medizinische und logistische Vorteile.
Ein kleiner Pieks mit großer Wirkung: Impfungen gehören zu den wichtigsten Errungenschaften der Medizin. Doch viele Patienten fürchten die Prozedur wegen der Spritze. Für Apotheker und Ärzte ist das Verfahren mit viel Aufwand verbunden: Klassische Impfstoffe benötigen während Transport und Lagerung eine lückenfreie Kühlung und ihre Verabreichung darf nur durch geschultes Personal unter speziellen sterilen Bedingungen zu erfolgen.
Impfstoff gelangt an Nanopartikel gebunden in die Atemwege
Forscher des Helmholtz-Instituts haben Impfstoffe an Nanopartikel gebunden und mit Hilfe eines Inhalators zu einem feinen Nebel zerstäubt. Anschließend haben sie den Impfstoff in diesem Zustand direkt in die Atemwege verabreicht. Als Nanopartikel diente den Wissenschaftlern Chitosan, ein Bestandteil in der Zellwand bestimmter Pilze. Im Tierversuch und an menschlichen Zellkulturen zeigte sich, dass bereits das Einatmen der Impfstoff-Nanopartikel-Kombination eine Immunreaktion auslöst. Die Immunreaktion führt schließlich zur Immunität. Das Verfahren erhielt den „Nanomedicine Award 2015". Es ist eine Gemeinschaftsarbeit des Helmholtz-Instituts der Charité Berlin, der Universität Kiel, der Universitätsklinik Bonn, dem Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik und einer Pharmafirma.
Nadel-freie Impfung hat wirtschaftliche und logistische Vorteile
Spezielle Trägerstoffe, so genannter Adjuvantien, steigern die Wirksamkeit des neuentwickelten Impfverfahrens zusätzlich. Dadurch läßt sich die Konzentration des Impfstoffs auf ein Zehntel reduzieren, ohne dass es zu Einbußen in der Wirksamkeit kommt. „Die Verabreichung auf Trägerpartikeln macht den Impfstoff zudem besonders robust: Eine Kühlkette für Transport und Lagerung ist nicht erforderlich“, berichtet Prof. Claus-Michael Lehr, leitender Wissenschaftler am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland.
Inhalieren – der natürliche Weg zur Immunität
Beim Inhalieren gelangt der Impfstoff auf demselben Weg in den Organismus wie viele Krankheitserreger. „Das erleichtert es dem Körper, eine wirksame Immunantwort aufzubauen“, erklärt Prof. Carlos A. Guzmán, leitender Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). „Das Prinzip, über die Lungenschleimhaut zu impfen und dabei die Immunzellen mit nanomedizinischen Verfahren anzusteuern, hat ein enormes Potenzial,“ ergänzt Dr. Andrea Hanefeld, Projektleiterin der beteiligten Pharmafirma. Das Verfahren eigne sich sowohl für die klassische Impfung als auch für die Krebstherapie, so die Expertin.
Noch ist viel Forschungsarbeit nötig
Noch haben Spritze und Nadel beim Impfen nicht ausgedient. „Unsere Forschung befindet sich noch in einem sehr frühen Stadium“, betont Dr. Hanefeld. „Bis daraus einmal ein praktisch anwendbares Verfahren zur Impfung mithilfe eines Inhalationsgerätes entwickelt sein wird, ist noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit nötig.“