Polymedikation – so heißt es, wenn Patienten mehrere Arzneimittel gleichzeitig einnehmen. Häufig kommt es dabei zu lebensgefährlichen Wechselwirkungen zwischen Schmerzmitteln und weiteren Medikamenten. Experten erörtern wie sich das Risiko minimieren lässt.
Über die Hälfte aller 75-Jährigen benötigen mehr als 6 verschiedene Medikamente. Dadurch sind sie schweren Wechselwirkungen ausgesetzt. Häufig geht die Gefahr von Schmerzmitteln aus. Beispielsweise erhöht sich das Blutungsrisiko um das achtfache, wenn Patienten gleichzeitig Schmerzmittel aus der Gruppe der NSAR und das Antidepressivum Citalopram einnehmen. Im Rahmen des Schmerzkongresses 2015 erörterten Experten aus Pflege, Klinik und Praxis das brisante Thema.
Hausärzte helfen, Wechselwirkungen zu vermeiden
„Als Hausarzt muss ich alle Medikamente eines Patienten beurteilen können“, betont Dr. Stefan F. Regner, Internist aus Mainz. Entsprechend wichtig ist es, dass der Patient im Arztgespräch sämtliche Medikamente erwähnt – auch „selbstverordnete“ rezeptfreie Schmerz- und Schlafmittel, denn gerade von diesen gingen oft gefährliche Wechselwirkungen, so der Experte. Zur Unterstützung der Ärzte begrüßt Dr. Regner technische Hilfsmittel wie spezielle Computerprogramme und Handy-Apps, die Wechselwirkungen erkennen.
Wechselwirkungen in der Klinik
Auch im Klinikalltag sind Wechselwirkungen ein wichtiges Thema. Dr. Markus Faust, Hamburg-Wandsbek erklärt, warum: „Wir haben ein großes Behandlungsteam mit hoher Fluktuation. Und jeder Stationsarzt hat eigene Ideen, deren Umsetzung mangels Zeit nicht immer sauber dokumentiert wird.“ Abhilfe schafft ein Medikationsplan. Er umfasst alle verabreichten Medikamente, ist auf Wechselwirkungen hin untersucht und so praktikabel, dass er sich auch nach der Entlassung aus dem Krankenhaus in den Alltag integrieren lässt. Zusätzlich ist es Dr. Faust wichtig, dass seine Patienten erfahren, warum sie ein Medikament einnehmen sollen. Das stärkt die Einnahmetreue. „Und wir müssen Symptome überprüfen, ob sie Ausdruck einer Erkrankung oder einer Arzneimittelwirkung sind“, fügt er hinzu.
Polymedikation vermeiden
Prof. Dr. Christoph Maier von der Ruhruniversität Bochum zählt klassische NSAR wie Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Diclofenac zu den gefährlichsten Medikamenten. Auch Paracetamol und Coxibe wie Etori- und Roficoxib seien für Patienten mit Polymedikation nur bedingt geeignet, so Prof. Dr. Maier. Von Opiaten wie Morphin gehe hingegen keine Gefahr aus, sofern sie richtig eingesetzt würden. Generell rät Prof. Dr. Maier in der Schmerztherapie zur Vorsicht: „Für jedes Schmerzmittel solle die niedrigste wirksame Dosis verwendet werden“, fordert er. Zur Vermeidung gefährlicher Polymedikationen empfiehlt er gezielte Auslassversuche. „Was nicht wirkt, absetzen“, so der Schmerzexperte.