Ob Weihnachtsmarkt, Straßenbahn oder Restaurant –Menschen mit Agoraphobie meiden diese Orte. Sie leiden unter einer Angststörung, die es ihnen unmöglich macht, sich in Menschenmengen zu bewegen. Experten raten zu einer kognitiven Verhaltenstherapie.
A gora – so hieß im antiken Griechenland der zentrale Platz, auf dem die Stadtbevölkerung Feste, Märkte und Gerichtsverhandlungen abhielt. Bis heute lebt der Begriff im Namen der Angsterkrankung Agoraphobie weiter. Die Betroffenen empfinden eine objektiv unbegründete Angst vor weiten, freien Plätzen, Menschenansammlungen oder engen, geschlossenen Räumen. Einige fürchten sich davor, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, anderen erscheint es unmöglich, in einem Supermarkt einzukaufen oder ein Restaurant zu besuchen.
Angst vor Kontrollverlust und körperlichen Symptomen
„Ein zentraler Aspekt vieler agoraphober Situationen ist, dass eine Flucht aus diesen Situationen nicht sofort möglich erscheint“, erläutert Dr. Frank Bergmann vom Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN). „Betroffene verspüren dann die Angst, […], die Kontrolle über sich zu verlieren sowie körperliche Symptome zu verspüren, die sie als lebensbedrohlich oder auch peinlich-beschämend wahrnehmen.“
Krankheitsverlauf der Agoraphobie
Oft äußert sich die Agoraphobie zum ersten Mal in Form einer Panikattacke. Das Herz klopft, die Brust schmerzt. Die Betroffenen empfinden Atemnot und Schwindel, haben das Gefühl, die Kontrolle oder den Verstand zu verlieren und fürchten zu sterben. Häufig führt das Erlebnis direkt in die Notaufnahme eines Krankenhauses. Weil die Patienten dort keine rationale Begründung für das Erlebte finden, leben sie fortan in ständiger Angst vor einer weiteren Panikattacke. „Für die Kontrolle der Angst und die Selbstbeobachtung des Körpers wird dann viel Zeit und Energie aufgewendet, was eine ständige Anspannung mit sich bringt“, erklärt Dr. Bergmann. Im weiteren Verlauf wechseln meistens angstfreie Phasen mit Panikattacken.
Angst führt in die Isolation
Die Agoraphobie führt in mehrerer Hinsicht zur Isolation. Zum einen meiden die Angstpatienten Orte des öffentlichen Lebens und kommen zwangsläufig seltener mit anderen Menschen in Kontakt. Zum anderen isolieren sie sich bewusst, weil sie sich in ihrer Angst missverstanden oder abgelehnt fühlen und fürchten, peinliche körperliche Symptome zu zeigen. In Folge leiden sowohl das soziale Leben als auch die berufliche Laufbahn. Zugleich steigt die Hemmschwelle für einen Arztbesuch.
Kognitive Verhaltenstherapie erzielt gute Erfolge
Dr. Bergmann rät den Betroffenen, schon bei den ersten Symptomen die Hilfe eines Psychiaters, Psychotherapeuten oder Nervenarztes in Anspruch zu nehmen. Bei einer kognitiven Verhaltenstherapie lernen die Betroffenen die angstbesetzten Situationen neu zu bewerten. „Bereits die Aufklärung über das Erkrankungsbild, über die Aufschaukelungsprozesse der Erregung, die Interpretation körperlicher Angstsymptome und die Rolle der veränderten Wahrnehmungsschwelle von körperlichen Beschwerden kann sehr hilfreich sein“, weiß Dr. Bergmann. In schweren Fällen rät er zu einer begleitenden Behandlung mit Psychopharmaka.