Haare im Waschbecken, am Kamm oder in der Suppe? Während ein bestimmtes Maß an Haarverlust natürlich ist, leiden einige Männer und Frauen unter chronischem Haarausfall. Lesen Sie hier über Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten.
Dicke oder dünne, gla tte oder gewellte, krauses oder gelocktes Haar – Haartypen gibt es viele. Allen gemeinsam ist, dass der Träger der Haarpracht durch den natürlichen Haarzyklus täglich etwa 50 bis 100 Haare verliert. Je nach Pflegegewohnheiten variiert die Zahl: Bei täglicher Haarwäsche fallen konstant viele Haare aus. Werden die Haare hingegen ein- oder zweimal in der Woche gewaschen, fallen an diesen Tagen etwas mehr Haare aus, an den übrigen verhältnismäßig weniger. Welche Formen von Haarausfall es gibt und wie Betroffene sie selbst behandeln, erläutert die Pharmazeutin Dr. Sabine Werner in der Deutschen Apothekerzeitung.
Ursachen von Haarausfall
Generell liegt die Ursache von Haarausfall in der Vergangenheit. Unterschiedliche Faktoren können die Wachstumsphasen der Haarfollikel zeitlich zusammenführen. Unter einem Haarfollikel versteht man das Haarbalg, in dem das Haar gebildet wird und das dieses in der Kopfhaut verankert. Veränderungen im Hormonhaushalt wie in der Pubertät, beim Wechsel des Verhütungsmittels oder in den Wechseljahren führen dazu, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt mehr Haare als sonst ausfallen. Auch die kurzfristige Einnahme bestimmter Arzneimittel sowie emotionaler Stress, Diäten oder Fieber führen zu diesem Effekt. Da die Follikel in diesen Fällen nicht geschädigt sind, pendelt sich der Haarausfall nach einigen Wochen wieder ein.
Ursachen der chronischen Alopezie
Leiden Männer und Frauen länger als sechs Monate unter starkem Haarausfall, handelt es sich um chronischen Haarausfall (Alopezie). Ursachen dafür gibt es viele: Grunderkrankungen wie Funktionsstörungen der Schilddrüse, Pilzerkrankungen der Kopfhaut, Eisenmangel bei Frauen oder Syphilis und HIV können zu verstärktem Haarausfall führen. Auch Nebenwirkungen von langfristig eingenommenen Medikamenten lösen chronische Alopezie aus. In diesem Punkt gewinnen Sie Klarheit, indem Sie Ihren Apotheker zu den Nebenwirkungen Ihrer Medikamente befragen.
So unterschiedlich, wie die Ursachen sind, sind die Behandlungsmöglichkeiten. Leiden Sie länger als sechs Monate unter verstärktem Haarausfall, sollten Sie zur Differenzialdiagnose und Auswahl der Behandlungsform Ihren Arzt konsultieren.
Ursache der androgenetischen Alopezie
Häufigste Ursache einer Alopezie bei Männern und Frauen ist der genetisch bedingte Haarausfall (androgenetische Alopezie). Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt mit fortschreitendem Alter. Bis zum 70. Lebensjahr leiden 80 Prozent der Männer und bis zu 40 Prozent der Frauen unter verstärktem Haarausfall. Zum Ende der genetisch festgelegten Lebenszeit des Haarfollikels nimmt dessen Überempfindlichkeit gegenüber Androgenen zu. Dies gilt besonders für das Dihydrotestosteron (DHT). Dieses verkürzt den Wachstumsprozess der Haare, das Follikel verkümmert und die dünner werdenden Haare werden durch einen Flaum ersetzt. Schließlich entsteht eine Glatze. Die androgenetische Alopezie löst diesen Prozesses früher als natürlich vorgesehen aus.
Behandlungsmöglichkeit bei Männern
Das European Dermatology Forum (EDF) hat für die Therapie der androgenetischen Alopezie 2011 eine S3-Leitlinie zur Behandlung veröffentlicht. Als rezeptfreie Variante ist dabei der Arzneistoff Minoxidil Mittel der Wahl. Männer erhalten Minoxidil als 5-prozentige Lösung oder 5-prozentigen Schaum im Handel. Die Pharmazeutin empfiehlt zweimal täglich 1 Milliliter Lösung oder 1 Gramm Schaum auf die betroffenen Stellenaufzutragen. Die maximale Wirkung setzt nach einem halben Jahr ein. Wird die Behandlung abgebrochen, lässt die Wirkung sukzessive nach. Vor allem die Lösung führt zu Nebenwirkungen wie Juckreiz und Rötungen an den behandelten Stellen. Der reizende Nebeneffekt des Schaums ist weniger stark.
Achtung, nicht erschrecken: Durch das Anwenden von Minoxidil kommt es vier bis acht Wochen nach Behandlungsbeginn zu einem verstärkten Haarausfall, dem sogenannten Shedding: Grund dafür ist die stimulierende Wirkung auf die Haarfollikel, durch die die neu gebildeten Haare die bereits abgestorbenen aus dem Follikel drängen. Brechen Sie die Therapie vorher nicht ab! Der verstärkte Haarverlust ist ein Zeichen, dass Ihr Körper auf die Therapie anspricht.
Behandlungsmöglichkeiten bei Frauen
Das örtliche Anwenden von Minoxidil ist bei Frauen mit androgenetischer Alopezie die wirksamste Behandlungsmöglichkeit. Im Gegensatz zu Männern ist der Wirkstoff für Frauen in einer 2-prozentigen Form verfügbar. Schwangere und stillende Frauen sollten Minoxidil nicht anwenden. Bei Frauen dunklen Typs kann es zu einem verstärkten Haarwuchs im Gesichtsbereich kommen.
Neben der zu früh eingesetzten Überempfindlichkeit des Haarfollikels gegenüber DHT kann auch eine hormonelle Fehlregulation mit einem Überschuss an männlichen Hormonen (Hyperandrogenismus) Ursache der Alopezie bei Frauen sein: Symptome dafür sind verstärkter Haarwuchs an Stellen, die für Männer charakteristisch sind sowie Veränderungen im weiblichen Zyklus. Für die Behandlung mit rezeptfreien Mitteln stehen Ihnen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Lassen Sie sich unbedingt von Ihrem Apotheker beraten, welches Mittel das für Sie geeignetste ist. Vor allem im Falle einer Schwangerschaft kommen nur bestimmte Wirkstoffe in Frage.
Die Behandlung kosmetisch unterstützen
Besonders bei Männern können beim Anwenden von Minoxidil Nebenwirkungen wie gereizte und gerötete Kopfhaut auftreten. Zum Vorbeugen eignen sich Harnstoff-haltige Shampoos. Begleiterkrankungen sind ebenfalls zu behandeln.
Achtung bei rezeptfreien Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln
Spurenelemente wie Zink, Selen oder Kupfer spielen beim Wachsen der Haare eine wichtige Rolle. Auch Kombinationspräparate mit Vitaminen wie Niacin, Biotin oder Pantothensäure, Aminosäuren oder mit pflanzlichen Inhaltsstoffen wie Hirse-Extrakt wirken sich positiv auf das Haarwachstum aus. Männer und Frauen auf der Suche nach rezeptfreien Arznei- und Nahrungsergänzungsmitteln haben im Handel die Qual der Wahl. Ihre Wirksamkeit ist meist durch Studien nicht ausreichend belegt. Die Pharmazeutin Werner empfiehlt die Einnahme ausgewählter Präparate zur Begleitung der Behandlung von Haarausfall bei hohem Leidensdruck der Betroffenen.
Um hinsichtlich der Wirkung nicht enttäuscht zu werden, sollten Sie sich bei der genauen Wahl eines frei verkäuflichen Mittels gegen Haarausfall an Ihren Apotheker wenden. Nehmen Sie diese Präparate regelmäßig ein. Die Wirkung erfolgt nach zwei bis drei Monaten.
Quelle: Dr. Sabine Werner: Ein haariges Problem. Formen des Haarausfalls und Therapiemöglichkeiten. In: Deutsche ApothekerZeitung, Heft 22, Mai 2015, S. 38-42.