Menschen mit Übergewicht stoßen häufig auf Intoleranz und Diskriminierung. Jahrelange negative Erfahrungen zerstören ihr Selbstbewusstsein und machen sie anfällig für psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen. Dies ergab eine Studie der Universität Leipzig unter Dr. Claudia Sikorski.
Leben mit einem Stigma
Meghan Trainor eroberte letztes Jahr die internationalen Charts, als sie im kultigen 50er-Jahre Stil die Vorteile molliger Frauen besang. Ihr Erfolg täuscht darüber hinweg, dass unser Schönheitsideal noch immer von gertenschlanken Models geprägt ist. Wer diesem Maßstab nicht entspricht, wird häufig als unattraktiv abgestempelt oder bekommt das Gefühl vermittelt, ein Mensch zweiter Klasse zu sein. Mit dieser Form der Stigmatisierung befasst sich Frau Dr. Claudia Sikorski von der Universität Leipzig. Sie hat 46 wissenschaftliche Studien analysiert, in denen ein Zusammenhang zwischen Stigmatisierung von Übergewichtigen und psychischen Erkrankungen untersucht wird.
Stigmatisierung als Risikofaktor für psychische Erkrankung
In den meisten Studien stieß Frau Dr. Sikorski auf Hinweise, dass Übergewichtige unter einem schwachen Selbstwertgefühl leiden. Sie vermutet, dass die Betroffenen das negative Bild übernehmen, das die Medien von ihnen verbreiten. Dadurch nehmen sie sich als unattraktiv und ungeliebt war, zweifeln an ihren eigenen Fähigkeiten und Qualitäten. Im irrigen Bewusstsein ihrer eigenen Unzulänglichkeit ziehen sie sich häufig aus ihrem sozialen Umfeld zurück. Dadurch fehlt es ihnen an emotionalen Halt und der nötigen Unterstützung von außen. All diese Punkte gelten als entscheidende Risikofaktoren für psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen.
Gefangen im Teufelskreis aus Übergewicht und vermindertem Selbstwertgefühl
Selbst wenn die Betroffenen versuchen, das Übel bei der Wurzel zu packen und ihr Gewicht zu reduzieren, sind viele zum Scheitern verurteilt. Ihr vermindertes Selbstwertgefühl lässt sie an ihren eigenen Fähigkeiten zweifeln und nimmt den Misserfolg voraus. Fehlt es zusätzlich am sozialen Rückhalt ist es noch schwieriger das nötige Durchhaltevermögen und Engagement für Diäten und Sportprogramme aufzubringen. Auf das Scheitern folgt häufig die „Belohnung“ oder „Bestrafung“ durch zusätzliche Essensrationen und der Teufelskreis schließt sich.
Folgestudie soll Lösungswege eröffnen
Frau Dr. Sikorski will den Übergewichtigen „Mittel und Wege zum Umgang mit der Stigmatisierung aufzeigen.“ Gemeinsam mit dem forsa-Meinungsforschungsinstitut möchte sie über 1000 Betroffene befragen, wie sie die Stigmatisierung erfahren, welche Nachteile ihnen daraus entstehen und welche Bewältigungsstrategien sie entwickelt haben. Die Ergebnisse sollen in ärztliche Leitlinien zur Behandlung von Übergewichtigen einfließen. So werden hoffentlich bald auch Mollige selbstbewusst mit Megan Trainor singen können: „Every inch is perfect from the bottom to he top – Jeder Zentimeter (an mir) ist perfekt vom Scheitel bis zur Sohle“.