99 Prozent der Erwachsenen in Deutschland haben Karies. Lange galt das Bakterium Streptoccoccus mutans als einziger Verursacher. In Wirklichkeit ist eine Vielzahl von Keimen mitverantwortlich für die Löcher in den Zähnen. Einer davon ist der Hefepilz Candida albicans. Das haben Forscher des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig jetzt herausgefunden.
Säuren zerstören den Zahnschmelz
Der lateinische Name Karies bedeutet Fäulnis oder Morschheit. Gemeint ist damit die schrittweise Zerstörung der Zähne durch Mikroorganismen im Mund. Die wichtigste Rolle spielt dabei das Bakterium Streptoccoccus mutans, das bei fast allen Menschen im Speichel vorkommt. Es haftet mithilfe eines klebrigen Films auf der Oberfläche der Zähne. In diesem Film leben auch zahlreiche andere Mikroorganismen. Sie zersetzen kohlenhydratreiche Essensreste im Mund. Dabei entstehen Säuren, die dem Zahnschmelz Kalk entziehen. Auf diese Weise bekommt der Schutzmantel der Zähne mit der Zeit Löcher.
Hefepilz stärkt Kariesbakterium
Streptoccoccus mutans trägt also nicht die alleinige Schuld an der Bildung von Karies. Der Hefepilz Candida albicans ist ein Keim, der das Bakterium bei seinem schädlichen Treiben unterstützt. „Wir haben uns das Zusammenspiel von Streptoccoccus mutans und Candida albicans genauer angeschaut und festgestellt, dass das Bakterium im Beisein des Pilzes seine Infektionskraft verändert“, erklärt Prof. Dr. Irene Wagner-Döbler, Leiterin der Arbeitsgruppe Mikrobielle Kommunikation am HZI.
Das bedeutet: Zusammen mit Candida albicans schädigt das Bakterium die Zähne viel stärker als allein. Zum einen produziert der Hefepilz bestimmte Botenstoffe, die Stoffwechselreaktionen auslösen. „Eine davon ist die Aktivierung von Genen bei Streptoccoccus mutans, die zur Produktion zelleigener Antibiotika führen“, berichtet Dr. Helena Sztajer vom HZI. Mit diesen Antibiotika setzt sich das Kariesbakterium erfolgreich gegen andere Mikroorganismen im Mund durch. Darüber hinaus kann Streptoccoccus mutans in Anwesenheit des Hefepilzes leichter fremdes Erbgut in sich aufnehmen. „So kann es sich neue Eigenschaften aneignen, wie beispielsweise Resistenzen gegen Antibiotika“, erläutert Dr. Sztajer.
Einzeltäter haben ausgedient
Mit diesen Erkenntnissen verstehen die Wissenschaftler nicht nur besser, wie Karies entsteht. Das neue Wissen eröffnet darüber hinaus auch eine neue Sichtweise auf infektiöse Erkrankungen. In der Vergangenheit vermutete man meist einen einzigen Erreger als Krankheitsursache. Heute dagegen sind viele Forscher der Ansicht, dass oft das Zusammenspiel verschiedener Mikroorganismen über den Verlauf und die Überwindung einer Infektion entscheidet. Das gilt es zukünftig bei der Therapieplanung zu berücksichtigen.