Mindestens 4 von 1.000 Menschen in Deutschland sind an Zöliakie erkrankt. Experten gehen darüber hinaus von einer hohen Anzahl an betroffenen Personen aus, bei denen die Diagnose fehlt. Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) rät Personen mit einem erhöhten Risiko, einen Zöliakie-Test durchführen zu lassen.
Wenn Gluten den Darm reizt
Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, bei der sich die Dünndarmschleimhaut entzündet. Verantwortlich für die Entzündung ist das Eiweiß Gluten, welches vor allem in Getreideprodukten vorkommt. Bei Zöliakie-Patienten reagiert der Körper überempfindlich auf dieses Eiweiß. Durchfall und Nährstoffmangel sind häufige Folgen. In vielen Fällen zeigen sich nur unspezifische Symptome wie Verdauungsbeschwerden, Müdigkeit oder Kopfschmerzen, was die korrekte Diagnose erheblich erschwert. Experten der DGVS gehen deshalb in ihrer neuen Leitlinie Zöliakie von „einer hohen Anzahl an erkrankten, aber nicht diagnostizierten Personen“ aus. Professor Dr. med. Andreas Stallmach, Direktor der Klinik für Innere Medizin IV am Universitätsklinikum Jena, erklärt: „Die Zöliakie kann in jedem Alter auftreten und hat sehr viele Erscheinungsformen, wir nennen sie daher auch das ‚Chamäleon der Gastroenterologie‘.“
Risikopersonen sollten sich testen lassen
„Es gibt eine ganze Reihe von Erkrankungen, die mit einer Zöliakie einhergehen“, sagt Professor Dr. med. Dr. rer. nat. Detlef Schuppan, Leiter der Zöliakie-Ambulanz am Universitätsklinikum Mainz. Hierzu gehören vor allem andere Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes oder autoimmune Schilddrüsenentzündungen. Auch unklare Leberwerterhöhungen, rheumatische Beschwerden, Migräne, Depressionen, eine leichte Blutarmut oder Osteoporose sind nicht selten mit einer Zöliakie verbunden. „Bei diesen Risikopersonen und nahen Verwandten von Betroffenen sollten Ärzte einen Zöliakie-Test empfehlen“, meint Schuppan. Häufig merkten die so entdeckten Zöliakie-Patienten erst mit der glutenfreien Diät, dass es ihnen unter glutenhaltiger Ernährung deutlich schlechter ging.
Um eine Zöliakie nachzuweisen, untersuchen Mediziner das Blut auf erhöhte Autoantikörper gegen das Enzym Gewebetransglutaminase. Wenn die Patienten sich bis zuletzt glutenhaltig ernährt haben, können die Ärzte damit die Erkrankung in der Regel von ähnlichen Leiden wie der Weizenallergie unterscheiden. Ist das Ergebnis nicht eindeutig, geben genetische Risikomarker im Blut Aufschluss. Den Verdacht bestätigt dann die Untersuchung von Gewebeproben aus dem Dünndarm.
Auf glutenhaltige Lebensmittel verzichten
Den Betroffenen hilft nur der Verzicht auf glutenhaltige Lebensmittel aus Weizen, Dinkel, Gerste oder Roggen – wie Brot, Nudeln, Pizza oder Bier. „Ärzte und Patienten müssen wissen, dass eine frühe Diagnose und die damit verbundene Empfehlung zur glutenfreien Diät Mangelerscheinungen und Folgeerkrankungen verhindern kann“, betont Stallmach. Die Experten hoffen, dass die von ihnen entwickelte neue Leitlinie dazu beiträgt.